Positionierungs­vorteil im Jungle der „Business-Inflation“

Neue Startups, Digitalisierung und divergierende Märkte zwingen Unternehmen zum Umdenken – was bleibt? Eine erfolgreiche Marke hält dauerhaft den strategischen Positionierungsvorteil im Kopf ihrer Zielgruppe.

Zwei Senioren sitzen sich am Tisch gegenüber und spielen Schach


von Stefan Klein

In einer Zeit, in der neue Startups im Minutentakt aus dem Boden sprießen, die Digitalisierung die Spielregeln der Geschäftswelt neu definiert und Märkte sich ständig verändern, stehen Unternehmen vor einer großen Herausforderung. Es geht um die Frage, wie man in diesem Ozean der Konkurrenz nicht nur überlebt, sondern gedeiht. Die Antwort liegt in einer strategischen Komponente: Positionierung.

Die „Business-Inflation“ oder auch „Marken-Inflation“, wie ich sie gerne nenne, ist das Phänomen, dass immer mehr Unternehmen mit neuen Marken in den Markt drängen, die sich zunehmend ähneln. Allein in Deutschland wurden 2022 über 75.000 abgeschlossene Eintragungsverfahren verzeichnet (Quelle: DPMA). Doch durch die drastisch anwachsende Zahl völlig austauschbarer Marken kann eine der Grundfunktionen von Marke nicht mehr oder nur noch unzureichend erfüllt werden – Orientierung bieten und es dem Nachfrager ermöglichen, leichter und schneller die passenden Angebote zu identifizieren. Dieses Phänomen begegnet einem besonders im E-Commerce. Wer einmal ein USB-Ladegerät auf Amazon gesucht hat, weiß wovon ich spreche.

Vor dieser Herausforderung sind viele Marken dazu verdonnert, unterzugehen, wenn sie nicht einen entscheidenden Vorteil haben: eine strategisch fundierte Positionierung.

Was genau ist Positionierung?

Unter Positionierung versteht man, wie eine Marke (Organisation, Produkt, Person oder Dienstleistung) in den Köpfen der Zielgruppe verankert ist. Eine erfolgreich positionierte Marke hat dauerhaft einen Platz im Gedächtnis der Zielgruppe eingenommen und beeinflusst die Meinungsfindung, Beurteilung von Informationen und (Kauf-)Entscheidung.
Dabei muss die Positionierung „glaubwürdig, für Kunden relevant und gegenüber dem Wettbewerb differenzierend“ sein, sagt Markenexpert . Sie entsteht also im richtigen Zusammenspiel aus eigener Markenidentität, Zielgruppe und Wettbewerbsumfeld.

Man kann Positionierung aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachten: Aus der Sicht des Marktes und aus der Sicht der Zielgruppe.
Positionierung im Markt beschreibt die Abgrenzung einer Marke von Wettbewerbern im gleichen Spielfeld durch harte und weiche Faktoren. Diese sind zum Beispiel Produktattribute (Material, Dimensionen, aber auch Zusatzleistungen wie einzigartige Preismodelle oder Garantien). Sie entstehen aus der Kernleistung der Marke und können vom markenführenden Unternehmen bspw. durch Entwicklungen und Innovation gestärkt und weiterentwickelt werden.

Positionierung aus Sicht der Zielgruppe beschreibt die wahrgenommene Position einer Marke, die sich ins Gedächtnis eines Nachfragers eingenistet hat. Hierzu bieten die zuvor genannten Attribute eine Grundlage, der markenführende Blick sollte aber weiter gehen: Für die persönlichen, emotionalen und sozialen Bedürfnisse des Nachfragers verspricht eine Marke an ihrem Kontaktpunkt eine Lösung, die im Vergleich zu den Lösungen von Wettbewerbern bewertet wird. Durch wiederholt gleich wahrgenommenes Markenerleben und wiederholt gutes Zufriedenstellen seiner Bedürfnisse ordnet der Nachfrager die Marke dann in seinen Wahrnehmungsraum ein und eine emotionale Bindung zur Marke entsteht. Die markenführenden Unternehmen starker Marken wissen um diesen Vorteil und pflegen die Markenkontaktpunkte und die Markeninteraktion, um diese emotionale Bindung zu stärken und gedeihen zu lassen. Das ist entscheidend dafür, wie Kunden eine Marke bewerten und für sich selbst relevant finden. Oder eben auch nicht.

Warum also ist Positionierung so entscheidend?

1. Um aus dem „Sea of Sameness“ hervorzustechen

Eine Marke hat nur dann die Chance, von potenziellen Käufern wahrgenommen zu werden und in deren Gedächtnis zu bleiben, wenn sie nicht „eine von vielen“ war, sondern durch eine Abgrenzung und klare Positionierung Aufmerksamkeit erzeugt hat.

2. Kaufentscheidungen sind emotionale Entscheidungen

Ob sich neue Kunden zu einer Marke bekennen, hat immer weniger mit den tatsächlichen Leistungsmerkmalen einer Marke zu tun und ob diese die Bedürfnisse decken, sondern zusätzlich mit dem Ausleben bestimmter Lebensstile und Haltungen. Menschen kaufen das mit einer Marke verbundene Gefühl oder die Erfahrung. Marken mit einer klaren Persönlichkeit und Haltung gewinnen.

3. Kompetenz und Spitzenleistungen durch Positionierung

Wenn alles wichtig ist, ist nichts wichtig. Dann verbindet das markenführende Unternehmen nicht konsistent sich und seine Kernleistungen oder -Produkte mit der Marke. Folglich kann die Marke gestützt oder ungestützt nicht zuverlässig von der Zielgruppe mit ebendieser Kernleistung verknüpft werden.

Wer alles anbietet, besetzt keinen dauerhaften Spot im Kopf der potenziellen Käufer, Kunden oder Partner. Fokussierung durch Positionierung hilft also nach außen, aber auch unternehmensintern bei der Leistungsentwicklung und beim Ausbau von Kompetenzen.

4. Positionierung zu leben ist effektiv!

Eine Marke wird automatisch durch alle Interaktionen im Kopf des Gegenübers positioniert; Positionierung geschieht also immer. Durch gute wie schlechte Interaktion – bzw. erfolgreiche und einfache Interaktion oder frustrierende, erfolglose Interaktion. Ein Bild der Marke entsteht im Kopf des Gegenübers, die Frage ist nur, wie scharf dieses Bild gezeichnet wird.

Wessen Marke eindrücklich positioniert ist und diese Positionierung an allen Kontaktpunkten lebt, der nutzt all seinen Ressourceneinsatz, um den Positionierungsvorteil im Kopf der Zielgruppe zu halten.

Positionierung in Zukunft

Vermutlich werden nicht weniger Unternehmen in Zukunft in den Markt drängen, es werden nicht weniger Werbe-Impressionen auf uns in verschiedensten Medien einprasseln und für markenführende Unternehmen wird die Kostenlast für Werbebotschaften im ohnehin stark regulierten digitalen Umfeld nicht leichter.
Wer also auf aktive Positionierung setzt, wird auch in Zukunft seine eigenen Ressourcen effektiv einsetzen, und mit größtmöglichem Erfolg einen Platz im Kopf seiner Zielgruppe erhalten. Hier einige Handlungsempfehlungen:

1. Daten effektiv nutzen

Schon jetzt stehen Unternehmen eine Fülle an Daten zur Verfügung, die Einblicke in das Verhalten, die Präferenzen und die Stimmungen der Zielgruppe liefern. Entwickeln Sie als markenführendes Unternehmen die Fähigkeit, diese Daten effektiv zu nutzen und die eigene Positionierung auf Basis dieser Insights zu stärken.

2. Individuelles Markenerleben

Alle erwarten zunehmend personalisierte Erlebnisse und Produkte. Konzentrieren Sie sich darauf, die individuellen Bedürfnisse und Wünsche Ihrer Idealkunden anzusprechen und entsprechend zu liefern. Das erfordert nicht nur die Verwendung von Daten, sondern auch eine tragfähige Positionierung, mit der Sie flexibel auf neue Anforderungen reagieren können, ohne Ihren Kern zu verwässern.

3. Die Nachhaltigkeit

Ethische und nachhaltige Aspekte legen neue Anforderungen an Ihre Positionierung. Denn die Werte und Haltungen gerade der jungen Generation wandeln sich diesbezüglich – Ihre Positionierung sollte diese Werte reflektieren. Ich ermutige Unternehmen dazu, positive soziale und ökologische Veränderungen anzustreben und diese für potenzielle Kunden wahrnehmbar zu gestalten.

4. Flexibilität

Markenführung ist ein Spiel mit zwei scheinbar widersprüchlichen Triebkräften: Konsistenz und Dynamik. Märkte werden volatiler und die Fähigkeit zur schnellen Reaktion auf Veränderungen in der Marktlandschaft wird entscheidend sein. Ohne dabei nicht mehr selbstähnlich zu sein. Spielen Sie, aber spielen Sie nicht mit dem Vertrauen.

Mit der Positionierung jetzt einfach loslegen?

Erfolgreiche Marken werden also auch in Zukunft ihren strategischen Positionierungsvorteil im Kopf ihrer Nachfrager einzunehmen und zu erhalten versuchen. Dennoch und umso mehr ist es jetzt noch nicht zu spät, Ihre eigene Markenpositionierung zu überprüfen.

Starten Sie mit dem Blick nach innen: Sammeln Sie Ihre Stärken, Attribute und die Besonderheiten Ihres Angebots sowie die Art, wie Sie Ihre Leistung übermitteln. Richten Sie anschließend den Blick auf Ihren direkten und indirekten Wettbewerb. Finden Sie dessen Stärken und Eigenschaften in Abgrenzungen zu Ihren. Entstehen hier Nischen, die Sie einnehmen können?

Nach dieser Vorarbeit: Skizzieren Sie Ihren Idealkunden, tauchen Sie tief in dessen Welt ein, beschreiben Sie seine persönlichen, professionellen und emotionalen Bedürfnisse. Verstehen Sie Ihren Kunden und die Gesamtheit seiner Herausforderungen. Beurteilen Sie nun aus dieser Kundenperspektive Ihre Vorarbeit der Innensicht und des Wettbewerbsumfelds und fokussieren Sie Ihre Positionierung auf Basis dessen für die maximale Wirksamkeit in Bezug auf Ihren Idealkunden.

Zögern Sie nicht, für diesen spannenden und intensiven Prozess die Zuhilfenahme externer Experten zu erwägen. Die Kollaboration spiegelt Ihnen oft Dinge, die Sie aus der Innensicht nicht (mehr) erkennen. „You can’t read the label from inside the bottle.“

Viel Erfolg!

Zurück zur Newsübersicht

Start transforming into a successful brand. Let’s work together