Wie Marken ein Preispremium erfolgreich durchsetzen

Menschen treffen keine rationalen, sondern emotionale Entscheidungen. Viele sind bereit, für ihre Lieblingsmarken mehr gegenüber vergleichbarer Konkurrenz auszugeben. Warum und wie können Marken hier punkten?

hellgrauer Hintergrund, eine Hand hält in der Mitte ein Bündel Geldscheine aufgefächert


von Stefan Klein

Wie Marken wachsen und gedeihen

Zu den Grundaufgaben eines jeden markenführenden Unternehmens gehört es, Profit zu erwirtschaften, um sich selbst im Markt zu halten, das eigene Leistungsangebot weiterhin anbieten zu können und den Purpose der Unternehmung wirtschaftlich zu stützen. Dies geschieht in Grundzügen durch:
– Mehr Kunden, die einen Kauf tätigen
– höhere Preise
– häufiger wiederholte Käufe eines einzelnen Kunden
– längeres „Halten“ eines einzelnen Kunden bzw. größere Kundenloyalität.

Weil diese Punkte allerdings miteinander verbunden sind, kann man nicht einfach jeden Preis verdoppeln, um mehr Umsatz zu generieren. Wenn der Bäcker um die Ecke ab morgen alle Preise mal Zwei nimmt, läuft der Großteil der Kundschaft ab morgen zu einem anderen Angebot und besagter Bäcker verzeichnet weniger Kunden, weniger wiederholte Käufe und definitiv sinkende Kundenloyalität.
Wie schaffen es also starke Marken, ein Preispremium zu halten und gleichzeitig sogar Kundenzuwachs und Weiterempfehlungen zu erlangen?

Zweifach, dreifach und noch mehr.

Für Marken bedeutet ein sog. Preispremium, dass ihre Kunden bereit sind, einen höheren Preis gegenüber einem vergleichbaren Produkt oder einer vergleichbaren Leistung zu bezahlen. Wie viel höher? Ganz schön viel höher.

Während bei Aldi der Liter Mineralwasser seiner Handelsmarke ca. 13 Cent kostet, bezahlt man für einen Liter Gerolsteiner 86 Cent und für einen Liter Evian Premium 99 Cent – das heißt 760% mal so viel wie für die Aldi-Marke. Während Tchibo African Blue Kaffee 13,98 EUR pro Kilo kostet, rufen Nespresso-Kapseln Kilopreise bis über 102 EUR auf.

Ein Pfund Röstkaffee mit Nespresso-Kapseln zu vergleichen sei wie Äpfel mit Birnen? Mag sein. Es bringt uns allerdings auf die richtige Spur.

Der Kopf und der Preis

Warum also sollte man sich für oder gegen ein Produkt entscheiden, wenn man das Vielfache des Preises eines vergleichbaren Produkts bezahlen muss? Wann sind Kunden bereit, mehr Geld auszugeben?
Über den tatsächlichen Nutzen des Produkts (z.B. löscht meinen Durst, kann zu einem Kaffee-Getränk aufgebrüht werden) fließen in die Beurteilung durch Nachfrager weitere Faktoren mit ein, die über „Nachfrage und Angebot bestimmen den Preis“ hinaus gehen.

Durch eine für den Nachfrager attraktive Marke oder ein interessantes Produkt wird unser Belohnungszentrum im Gehirn aktiviert. Allerdings wird der Preis dafür wie ein Schmerz im Gehirn verarbeitet. Die Preispositionierung einer Marke muss also die Netto-Rechnung im Gehirn des Nachfragers beachten: Der subjektive Kundennutzen, der durch Interaktion oder Kauf der Marke entsteht, verrechnet mit dem Schmerz des Markenpreises sollte am Ende einen positiven „Netto-Nutzen“ ergeben.

Zusätzlich unterliegen Kunden einem Angst-Bias, das heißt es entsteht Unsicherheit und „Angst“, wenn bei einem neuen Kauf ein Marken-Wechsel erwogen wird (oder erwogen werden muss, weil bspw. das Regal im Supermarkt leer ist). Bekannte Marken werden wieder gekauft. Hierfür kann der Preis höher sein als bei einer für den Kunden neuen Marke.
Denn auch wenn wir es nicht wahrhaben wollen, so sind wir Menschen doch sicherheitsorientiert und sind nur bedingt bereit, Risiko einzugehen. Deshalb funktionieren so genannte „Probiereditionen“ zu günstigeren Preisen. Damit kann die Angst vor einem potenziellen Negativerlebnis („hat mir doch nicht geschmeckt und habe ich umsonst gekauft.“) genommen werden und der Einstieg zur neuen Marke gelingen. Dass dabei oft weniger Menge als üblich in der Verpackung ist (höherer kg-Preis) und der Kauf damit eigentlich „schlechter“ ist, spielt im Bewertungsraum des Kunden keine Rolle, denn das Vermeiden der potenziellen Enttäuschung ist von höherem Wert als der Nachteil des höheren kg-Preises (Netto-Nutzen).

Weiterhin sind Kunden eher bereit, mehr Geld auszugeben, wenn sie eine emotionale Bindung zur Marke haben. Wie entsteht diese emotionale Bindung? Durch Erlebnisse.

Was passiert „drum herum“?

Die angestrebte Preis-Positionierung muss der grundlegenden Markenpositionierung und der Rolle des Produkts im Portfolio entsprechen.

Hier spielen erfolgreiche Marken Ihre Stärke aus. Denn sie legen Wert auf ein konsistentes Markenerleben. Der Kunde weiß an jedem Touchpoint, wer ihm begegnet und kennt sein „Gegenüber“. So erzeugen erfolgreiche Marken durch Ihr Erlebnis Sicherheit und Vertrautheit und verringern die Hürde der erneuten Entscheidungsfindung. Bekannte Marken können zudem auch beim Eintritt in eine neue Marktnische aufgrund ihrer Bekanntheit und dem bereits früher gewonnenen Vertrauen höhere Preise aufrufen.

Was starke Marken außerdem leisten: Sie bauen regelrechte Markenwelten der Erlebnisse auf. Damit entsteht ein Framing, was neben Orientierung einer der Grundnutzen von Marken ist. Starke Marken fungieren als Referenz- und Bedeutungsrahmen für das Produkt, der unbewusst zum Vergleich herangezogen wird.

Als Beispiel dient die Marke Starbucks, die im direkten Vergleich mit anderen Coffee-Shops, die man in der Fußgängerzone findet, durchaus im überdurchschnittlichen Preissegment angesiedelt ist. Nun positioniert sich die Marke Starbucks aber nicht primär über den Kaffee selbst, sondern sie bringt den Store als Erlebnisraum in den Vordergrund, in dem sie den „Halt“ bei Starbucks als Kurzurlaub bezeichnet – DER Ort zwischen dem Zuhause und der Arbeit. Hier ist ein Ort zum Genießen, Entspannen und um Menschen zu begegnen. In diesem „Framing“ erscheint der Getränkepreis plötzlich normal oder angemessen.

Ein visuelles Beispiel für Framing durch gleiche Grautöne, die je nach angrenzendem Grauton unterschiedlich hell bzw. dunkel wirken.
Visuelles Beispiel für „Framing“: Das innere Quadrat hat jeweils die exakt gleiche Farbe, wirkt aber im jeweiligen Bezugsrahmen vollkommen anders.

Einige Schritte weiter in der Fußgängerzone und zurück zu den Kaffee-Kapseln: In Sachen Markenerlebnis ist Nespresso vielen meilenweit voraus. Schon von außen begeistern beim Blick ins Schaufenster die feingliedrigen Skulpturen und Kunstwerke, die aus Kapseln unterschiedlicher Farbe hergestellt sind – man sieht eine Abenteuer- und Erlebniswelt schon bevor man nur einen Schritt über die Schwelle des Ladens gesetzt hat.
Und in diesem gibt es eigentlich nichts anderes als Kaffee-Kapseln in X verschiedenen Sorten. Dass man dafür aber nicht 20 Quadratmeter nutzt, sondern sich das Einkaufserlebnis mancherorts über mehrere Stockwerke mit Lounge-Möbeln, Bar und Vorführgeräten erstreckt, zeigt, dass Nespresso-Stores mehr wie eine Boutique wirken und an Hochwertigkeit und Premium-Feeling die Tchibo-Zeile im Kaufland bei weitem übertrumpfen. Wer Nespresso kauft, will genau dieses Gefühl: Premium und Convenience. Mit ein bisschen George Clooney. Auswahl hat man nicht und akzeptiert den Preis, denn die echten Kapseln passen und schmecken anscheinend am besten und die Billig-Nachahmer transportieren nicht „den Vibe“.

Allgemein scheint das ein Kennzeichen der Premium-Marken zu sein. Oft weisen Sie eine geringere Auswahl und ein eher geschlossenes Ökosystem auf. Das mag zunächst negativ zu bewerten zu sein, ermöglicht den Marken aber die größtmögliche Sicherstellung der Qualitätsführerschaft und eben dieses beschriebenen Kundenerlebnisses.

Also…?

Erfolgreiche Marken schaffen es also, durch ein hochwertiges und gut gesteuertes Markenerlebnis eine emotionale Bindung zu Ihren Kunden aufzubauen. Diese starke emotionale Bindung sichert einen Vorteil in der Kaufentscheidung. Mit gekonntem Framing (durch Markenpersönlichkeit und Story) sind so höhere Preise möglich, ohne dass Ihnen die Kunden zu Konkurrenz-Angeboten abspringen. Nach Verrechnung von Belohnung und Schmerz im Gehirn ist der Netto-Nutzen, den die erfolgreiche Marke bietet, noch immer positiv.

Setzen Sie also nicht einfach Ihre Preise nach oben, schrauben Sie lieber an der Experience: Machen Sie es Ihren bestehenden und zukünftigen Kunden so einfach wie möglich, einiges auf der Plus-Seite der Rechnung im Kopf hinzuzufügen. So erlauben Sie Ihrer Marke nach und nach eine höhere Preisentwicklung.


Anmerkung: Während meisten Formulierungen dieses Artikels hier lediglich Unternehmen als Grundlage nutzen, die Waren oder Dienstleistungen im B2C Bereich abverkaufen, können auch B2B-Unternehmen oder Non-Profit Organisationen „Premiummarken“ gegenüber Ihrer Konkurrenz sein bzw. als solche von Ihren Besuchern, Unterstützern oder Engagierten wahrgenommen werden. Erforschen Sie als Non-Profit-Organisationen Ihre individuellen Wege, wie Sie durch ein besseres Erlebnis wachsen können. Statt höheren Preisen sind Erfolgsfaktoren für Sie beispielsweise eine wachsende Anzahl neuen Mitgliedern, höhere Mitgliedschaftsbeiträge/Spenden, größeres Engagement der einzelnen Mitglieder oder eine höhere Werbungsrate neuer Mitglieder.

Zurück zur Newsübersicht

Start transforming into a successful brand. Let’s work together